1,5 – eine Wissenschaftlerin, fünf Fragen mit Prof. Astrid Kause
- 21. März 2025
- 5 min. Lesezeit

Hallo Frau Prof. Kause, Sie forschen an der Verknüpfung von Nachhaltigkeit und Psychologie. Was macht diese Schnittstelle so interessant als Forschungsgegenstand?
Nachhaltigkeitsthemen betreffen uns alle. Das heißt, wenn wir uns mit Nachhaltigkeit befassen, forschen wir an unserer eigenen Zukunft und der unserer Kinder. Wie wir als Menschen Nachhaltigkeit wahrnehmen, ist dann wiederum ein Feld der Psychologie. Was sind wahrgenommene Ursachen des Klimawandels? Als wie hoch nehmen Menschen Risiken durch Klimawandel und seine Folgen wahr? Wie können wir Menschen helfen, diese besser zu verstehen? Wie entstehen Änderungen im Konsumverhalten oder in der Politikunterstützung, oder in den Wahrnehmungen und im Verhalten in Bezug auf Nachhaltigkeit? Diese Fragen können wir sowohl mit qualitativen Methoden wie Interviews und Fokusgruppen als auch mit quantitativen Methoden wie Survey-Studien oder Experimenten gut erforschen.
Lange herrschte – in der Theorie zu menschlichen Entscheidungen – das Bild vom nutzenmaximierenden Menschen vor. Empirische Forschung in den letzten Jahrzehnten hat allerdings gezeigt, dass der Mensch nicht immer nur Nutzen für sich selbst maximieren will, sondern auch für andere, oder für die Umwelt. Hier stellt sich dann die Frage: Wie machen Menschen das? Wie integrieren und gewichten sie unterschiedliche Aspekte? Oder, allgemeiner gesagt: Wie handeln wir in der realen Welt? Und wie können wir das als Forscher*innen gut beschreiben?
Worauf konzentrieren Sie sich in diesem Themengebiet?
Ich forsche vor allem zur Risikowahrnehmung und -kommunikation. Ich untersuche, wie Menschen Zahlen, grafische Darstellungen und Sprache, mit der Risiken und damit verbundene Unsicherheiten kommuniziert werden, interpretieren. Das erforsche ich mit dem Ziel, Tools und Guidelines zu entwickeln, die Wissenschaftler*innen, Politiker*innen, usw. dabei unterstützen, Risiken und damit verbundene Herausforderungen verständlich zu kommunizieren. Einfache und verständliche Sprache und gut verständliche Statistiken sind hier zentral. Wenn ich beispielsweise weiß, dass mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit Fluten an meinem Wohnort auftreten, dann kann ich entscheiden, ob ich mein Haus schütze oder nicht. Hierfür muss ich aber zunächst verstehen, wie wahrscheinlich dieses Ereignis ist und wie hoch eine Flut prinzipiell werden kann.
Außerdem habe ich auch empirische Studien zu Prozessen der politischen Polarisierung durchgeführt. Also dazu, wie Normen und kulturelle Voreinstellungen damit zusammenhängen, dass sich Menschen zu bestimmten Themen, die wissenschaftlich eigentlich unumstritten sind, polarisieren. Wie verändern sich Informationen durch soziale Informationsweitergabe? Wie sorgen politische Voreinstellungen dafür, dass ich Risiken auf eine bestimmte Art und Weise interpretiere? Welche Rolle spielen Fehlinformationen? Mich interessiert, wie wir Polarisierung und Fehlinformationen entgegenwirken können.
An dieser Stelle hat meine Forschung auch starken Bildungscharakter, weil es darum geht, Bürger*innen in ihrem Verständnis von globalen Herausforderungen zu stärken aber auch Fehlinformationen zu schwächen, damit Bürger*innen weniger anfällig für sie sind.
Welche Faktoren beeinflussen unsere Risikowahrnehmung in Bezug auf Klima?
Hier gibt es mehrere Faktoren, die ich hier nur anreißen kann. Der Grad der Vertrautheit mit dem Thema spielt eine Rolle. Wir schätzen im Allgemeinen etwas als hohes Risiko ein, wenn wir wenig darüber wissen. Das Risiko im Umgang mit Atomkraft wurde etwa in einer Befragung im Jahr 1976 deutlich höher wahrgenommen als 2016, weil die Technologie damals relativ neu war bzw. Menschen wenig darüber wussten.
Ein anderer Faktor ist die Bedrohlichkeit, auf Englisch dreadfulness. Im Grunde geht es hier darum, wie viel Kontrolle ich selbst habe. Wir nehmen solche Risiken, bei dem auf einen Schlag eine relativ große Zahl an Menschen betroffen sind, bedrohlicher wahr, als ein Risiko, das kontinuierlich gleich oder viel mehr Menschenleben fordert, wie das Beispiel der Nachwirkungen des 11. Septembers 2001 zeigt. Nachdem die Terroristen die entführten Flugzeuge ins World Trade Center gesteuert haben, haben viele Menschen aus Angst lieber das Auto als Mobilitätsmittel gewählt. Hier erschien ihnen die eigene Kontrolle höher, als im Flugzeug. Tatsächlich hat dieses Verhalten dann zu einer höheren Verkehrsdichte und einer gestiegenen Zahl an Verkehrstoten geführt. Im Grunde hätte man also eher mehr Angst vor dem Weg zum Flughafen, als vor dem Flug selbst haben müssen.
Kulturelle und politische Voreinstellungen sind ebenfalls wichtig für unsere Risikowahrnehmung. Wenn ich beispielsweise schon vorher um den Klimawandel besorgt war und ich dann tatsächlich eine große Flut erlebe, bestärkt das meine Sorge. Wenn ich aber den menschgemachten Klimawandel ablehne und dann eine Flut erlebe, interpretiere ich das Flutereignis auf Basis meiner Voreinstellung komplett anders.
Wie sollte Wissenschaftskommunikation bzw. Klimakommunikation aus ihrer Sicht gestaltet sein?
Mein Anliegen ist es, Bürger*innen zu ermöglichen, informierte Entscheidungen zu treffen. Das heißt Wissenschaftskommunikation sollte verbal, numerisch und grafisch transparent und verständlich sein. Studien belegen, dass kryptische Zahlen oder komplizierte grafische Darstellungen Menschen schnell in die Irre führen oder Misstrauen wecken können. Hierzu gibt es in der Klimakommunikation viele Beispiele, die Menschen ohne Fachexpertise kaum verstehen können. Das fängt schon bei Begriffen wie „Anpassung“, oder „Minderung“ an. Konkret heißt es: Wir brauchen nicht nur rigorose Forschung zu den Risiken der modernen Welt, wie zum Beispiel Klima, Biodiversitätsverlust, nuklearer Bedrohung oder Autounfällen, sondern auch dazu, wie solche Informationen verstanden werden und dazu, wie diese an Menschen, die möglicherweise Schwierigkeiten damit haben, einfach kommuniziert werden kann.
Gute Wissenschaftskommunikation verbindet die Perspektive von Empfänger*innen und von Wissenschaftler*innen. Sie kommuniziert nicht nur einfach Inhalte von denen Expert*innen denken, dass Menschen sie wissen müssen, sondern sie bezieht das Vorwissen, Voreinstellungen und Unsicherheiten der Empfänger*innen mit ein. „Kenne deine Zielgruppe“ fasst es ganz treffend zusammen. Ich muss Informationen für einen Kreis von Wissenschaftler*innen anders aufbereiten und kommunizieren als beispielsweise für die Leute, die ich zufällig auf der Straße treffe, oder meine Eltern.
Womit beschäftigt sich Ihr Teilprojekt im Klima.Zukunftslabor Urban Climate Future Lab?
Wir untersuchen, wie Menschen Klimarisiken wie Hitze und Fluten im urbanen Raum wahrnehmen und wie sie sich dazu verhalten. Im Kontext Niedersachsen werden wir dafür qualitative Interviews durchführen. Dafür werden wir uns gemeinsam mit unseren Projektpartner*innen Beispielstädte heraussuchen. Anschließend werden wir eine große Survey-Studie durchführen, um zu schauen, ob sich unsere Interviewergebnisse auch in einer größeren Stichprobe widerspiegeln.
Im zweiten Schritt möchten wir die Rolle des Individuums in der städtischen Transformation beleuchten. Hier geht es dann darum, die Perspektiven der Wissenschaftler*innen und der Bürger*innen zusammen zu bringen. Wir betrachten, wie Expert*innen Transformation beispielsweise in der Architektur, grünen Orten oder in der Mobilität beschreiben und wie mögliche Szenarien einer nachhaltigen Stadt aussehen. Anschließend holen wir die Meinung von Bürger*innen zu diesen Szenarien ein und testen dann experimentell, wie man die Akzeptanz für diese Szenarien erhöhen kann. Mir ist es wichtig, dass Bürger*innen in Transformationsprozessen mitgenommen werden, ihre individuellen Perspektiven gehört werden und sie teilhaben können, daran, wie ihre Stadt fit und widerstandsfähig für die Zukunft gemacht wird.
Vielen Dank für das Interview.
Ansprechpartner:in

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