Was macht Wälder resilient?

FoResLab-Sprecher Prof. Alexander Knohl im Interview
  • 8. November 2024
  • 7 min. Lesezeit
Ein Eddy Covariance-Turm, der an einem der Messstandorte atmosphärische Messungen durchführt. Ein Eddy Covariance-Turm, der an einem der Messstandorte atmosphärische Messungen durchführt.
Ein Eddy Covariance-Turm, der an einem der Messstandorte atmosphärische Messungen durchführt.
© Bildnachweis: Nora Roesky/ZKfN.

Immer häufiger auftretende klimatische Extremereignisse machen Bäumen zu schaffen. Besonders langanhaltende Trockenheit und Hitze sorgen dafür, dass ganze Wälder absterben können. Dabei gibt es aber auch Wälder, die besser mit dem Klimastress umgehen können und somit klimaresilienter sind als andere. Welche Eigenschaften diese Wälder widerstandsfähig machen, möchte das Klima.Zukunftslabor „FoResLab“ untersuchen und die Ergebnisse dazu nutzen, auch andere Wälder in Niedersachsen klimaresilient zu gestalten. Im Interview stellt FoResLab-Sprecher Prof. Alexander Knohl das Klima.Zukunftslabor vor und erklärt, welche Rolle digitale Zwillinge bei dem Vorhaben spielen.

Hallo Herr Prof. Knohl, woran möchte FoResLab forschen?

Bei FoResLab geht es um die Frage, wie wir Wälder heute und in der Zukunft resilient gegenüber klimawandelbedingten Störungen machen können.

Der Hintergrund der Frage ist, dass wir in den letzten Jahren, namentlich 2018, 2019, 2020 und 2022, eine Reihe von klimatischen Extremereignissen erlebt haben, deren Auswirkungen wir gerade beispielsweise im Harz sehen. Große Fichtenwaldflächen sterben ab. Aber auch Buchenwälder zeigen Auswirkungen der klimatischen Extrembedingungen. Dabei galten Buchen bisher als klimazukunftsfähige Baumart.

Daher wollen wir verstehen, wie sich diese klimatischen Extremereignisse auf Wälder auswirken und welche Baumfunktionen sich verändert haben. Ein großer Fokus wird dabei auf dem Wasser- und dem Kohlenstoff-Haushalt der Bäume liegen. Dabei ist besonders interessant, dass Wälder einerseits vom Klimawandel betroffen und andererseits ein Instrument sind, um den Klimawandel abzuschwächen, weil sie zum Beispiel das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid (CO2) binden.

Strukturell bauen wir zu diesem Zweck drei Plattformen auf: Erstens eine experimentelle Plattform, auf der wir Messungen an Waldstandorten durchführen. Zweitens eine digitale Plattform – die aus einem digitalen Zwilling und einem Online-Waldstress-Monitor besteht. Und drittens eine Gesellschaftsplattform, die relevante Stakeholder einbezieht.

Was hat die genannten Jahre so herausfordernd für Wälder gemacht?

2018 war bis dahin das wärmste und eines der trockensten Jahre seit Beginn der Klimaaufzeichnungen. Diese Kombination von Trockenheit und Wärme bedeutet Stress für die Pflanzen. Durch den Mangel an Wasser aufgrund der niedrigen Niederschlagsmengen und den hohen Temperaturen im Sommer wurde früh das im Boden gespeichertes Wasser verbraucht. In der Folge setzt im Sommer Trockenstress ein. Wenn wir die langjährigen Messungen von CO2-Aufnahme und Wasserverbrauch der Bäume betrachten und hier den Vergleich zum Jahr 2003, dem anderen „großen“ Trockenjahr ziehen, erkennen wir, dass die Bäume schon im Juni und dann durchgängig bis September Trockenstressreaktionen gezeigt haben.

Wie sehen diese Trockenstressreaktionen aus?

Physiologisch beginnen die Pflanzen zuerst die Stomata [Anm. d. Red.: Spaltöffnungen in den Blättern] zu schließen, wenn sie zu wenig Wasser haben. Das ist eine Strategie, um Wasser zu sparen. Dies führt dazu, dass auch weniger CO2 aufgenommen wird, da durch die Stomata sowohl Wasser als auch CO2 ausgetauscht werden. Wenn kein CO2 mehr aufgenommen wird, können keine Assimilate [Anm. d. Red: Energiereiche Stoffwechselprodukte, die Pflanzen etwa während der Photosynthese herstellen] aufgebaut werden. D.h. es findet weniger Wachstum statt und es werden weniger Reserven aufgebaut. Besonders Fichten waren durch den Wasserstress nicht in der Lage, sich vor Insekten, wie den Borkenkäfer, zu schützen. Das hat zu der massenhaften Ausbreitung des Borkenkäfers geführt und damit u.a. zum großflächigen Absterben von Bäumen im Harz.

Haben Sie schon Messstandorte im Blick?

Wir planen sechs Standorte einzurichten, an denen wir Monitoringsysteme aufbauen oder weiterentwickeln. Ein Teil der Standorte ist dabei schon in langfristige Monitoring- Aktivitäten der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt eingebunden. Außerdem nutzen wir Standorte, an denen meine Arbeitsgruppe als Teil von globalen Netzwerken seit mehr als 20 Jahren Eddy Covariance Messungen [Anm. d. Red.: atmosphärische Messtechnik zur Messung und Berechnung vertikaler turbulenter Strömungen in atmosphärischen Grenzschichten] durchführt.

Die Daten werden dann mit Fernerkundungs- und Satellitendaten zusammengeführt. Mithilfe dieser Daten versuchen wir die Resilienz der Wälder gegenüber Klimaextremen niedersachsenweit bewerten. Wir haben also sechs sehr intensiv bemessene Standorte, wo wir uns physiologische Prozesse im Detail ansehen können. Die Daten dieser Standorte werden anschließend genutzt, um unsere Fernerkundungsdaten zu validieren. Wir nutzen dabei gezielt technologische Entwicklungen derletzten Jahre, die es uns nun erlauben, Prozesse in Wäldern fast in Echtzeit beobachten zu können.

Was meint Fernerkundung in dem Zusammenhang?

Fernerkundung meint in diesem Fall die Erfassung von Waldbeständen aus der Distanz. Das beinhaltet in unserem Fall den Überflug mit dem Flugzeug, um Laserscans eines gesamten Waldgebiets zu machen. Auf etwas kleinerer Ebene werden wir Drohnen einsetzen, um in kleineren Waldabschnitten bestimmte Eigenschaften wie z.B. die Oberflächentemperaturen zu messen. Darüber hinaus verwenden wir Satellitendaten, um Parameter abzuleiten, die uns Informationen über den Vegetationsstatus, über den Wasserverbrauch und über die Oberflächentemperatur geben.

Wie sind die Indikatoren zu interpretieren?

Ein Indikator wäre, wie gut ein Wald mit Trockenheit umgehen und trotzdem weiter physiologisch funktionieren und nach der Trockenheit wieder in sein ursprüngliches Verhalten zurückkehren kann. Wenn eine Trockenphase kommt, dann kann es z.B. Wälder geben, die sehr stark auf die Trockenheit reagieren und ggfs. ein erhöhtes Absterben von Bäumen zeigen . Das wäre nicht resilient. Ein Wald, der es schafft, sich in Trockenphasen herunter zu regulieren, aber danach wieder zum Normalzustand zurückzukehren, wäre eher resilient.

Gibt es Pflanzen, die schon als besonders resilient bekannt sind?

Das ist Teil der aktuellen Forschung von verschiedenen Arbeitsgruppen weltweit. Wir konnten bereits sehen, dass reine Fichtenwälder, also Monokulturen, große Schwierigkeiten bei Trockenstress haben. Es ist daher angebracht eher in Richtung Mischwälder zu forschen. Dabei spielt neben der Diversität der Baumarten selbst, also aus wie vielen verschiedenen Baumarten der Wald besteht, wahrscheinlich aber auch die Diversität der Waldstrukturen eine große Rolle. Um das zu untersuchen, haben wir uns Waldflächen als Messstandort ausgesucht, die sowohl eine große strukturelle Vielfalt besitzen als auch in der Zusammensetzung der Baumarten divers sind.

Die Hypothese, warum solche Wälder erfolgreicher sind, ist, dass durch die Diversität der Arten und Strukturen unterschiedliche ökologische Nischen besser genutzt werden können. Es stehen dann zum Beispiel Bäume, die tiefer wurzeln, neben Bäumen, die flacher wurzeln. Sie sind also komplementär und können von den vorhandenen Ressourcen in Stresssituationen besser Gebrauch machen.

Strukturvielfalt meint in diesem Fall Diversität hinsichtlich äußerer Merkmale wie Pflanzenalter, Wachstumshöhe, Verteilung der Zweige im Kronenraum, Wurzeltiefe, usw. In einem Wald mit verschieden alten Bäumen sind beispielsweise auch die Baumkronen in verschiedenen Höhen. Tritt dann ein Stressereignis auf, sind einige dieser Bäume stärker der Sonne ausgesetzt und andere weniger, was dazu führt, dass nicht alle Bäume gleich reagieren und somit das Risiko von Schädigungen gestreut wird.

Die Messdaten werden dann in einen digitalen Zwilling überführt. Was bedeutet dies?

Unter einem digitalen Zwilling verstehen wir ein Simulationsmodel, das einen realen Wald abbildet. Wir wollen damit die Messdaten von unseren Untersuchungsflächen zusammenführen. Zum einen die Daten der Echtzeitmessung, die wir in unseren sechs instrumentierten Wäldern erheben und zum anderen auch die Daten zur Waldstruktur, die wir mit Laserscans vom Boden aus und aus der Luft erheben.

Dieses Modell ist letztendlich ein Waldwachstumsmodell, in das permanent neue Messdaten einfließen. So lernt das Modell von den aktuellen Beobachtungen und erstellt einen digitalen Zwilling. An diesem Zwilling können dann Szenarien ausprobiert werden. Was würde beispielsweise geschehen, wenn wir die Waldstruktur ändern? Was würde passieren, wenn wir einzelne Baumarten stärker fördern und andere zurücksetzen? Was würde in einem besonders heißen und trockenen Klima passieren? Was würde in einem Klima passieren, wo wir das 2,0 Grad-Ziel einhalten, also weniger Extremereignisse auftreten, im Vergleich zu einem Worst-Case-Szenario.

Die historischen Daten der letzten 20 Jahre werden als Input genutzt, um das Modell zu kalibrieren und zu validieren. Das Modell braucht diese Parameter um zu lernen, wie der Wald in der Vergangenheit auf verschiedene klimatische Bedingungen reagiert hat.

Worum geht es in der Gesellschaftsplattform?

In der Gesellschaftsplattform geht es darum, eng mit relevanten Stakeholdern des Waldes zusammenzuarbeiten, um zu verstehen, welche gesellschaftlichen und ökonomischen Aspekte für die Gestaltung resilienter Wälder wichtig sind. Wir werden hier insbesondere mit unseren Praxispartnern den Niedersächsischen Landesforsten, den Nationalparks Harz und Hainich und der Stiftung Zukunft Wald, die Schulwälder mit Schulen gemeinsam entwickeln, eng kooperieren. In einem Teilprojekt wollen wir u.a. durch Interviews untersuchen, was Ansprüche an den Wald sind und welche Maßnahmen zur Resilienzbildung akzeptiert werden. Unsere Hypothese ist hier, dass die Etablierung von strukturreichen und diverseren Wäldern auch in der Gesellschaft zu mehr Akzeptanz führt. Daneben wird Wissenschaftskommunikation eine zentrale Rolle spielen. In einem Teilprojekt wird das Forum Wissen, das Wissensmuseum der Universität Göttingen, ein Online-Lernmodul für Schulklassen entwickeln, was es Schüler*innen erlaubt, in die Rolle verschiedener Akteur*innen zu treten und an der Gestaltung der Wälder teilzunehmen. Gemeinsam mit der Niedersächsischen Akademie für Wissenschaften zu Göttingen werden wir in öffentlichen Veranstaltungen das Thema Wald und Gesellschaft aus verschiedenen Perspektiven diskutieren.

Was werden die ersten Schritte im Klima.Zukunftslabor sein? Wie wird der Start in die Forschungsarbeit aussehen?

Zunächst wird es darum gehen, dass wir als Klima.Zukunftslabor die Grundlagen für unsere spätere Forschungsarbeit legen. Aktuell bedeutet das, dass wir Nachwuchswissenschaftler*innen einstellen, die in den nächsten Jahren mit uns zusammen im Zukunftslabor forschen und arbeiten. Außerdem wird es darum gehen, unser Partner*innennetzwerk in der Entwicklung mitzunehmen.

Was die eigentliche Forschungsarbeit betrifft, werden wir damit beginnen, unsere Infrastruktur aufzubauen und erste Interviews mit Stakeholdern zu führen. Später wird dann die Auswertung der gewonnenen Daten hinzukommen und so werden wir das Projekt Schritt für Schritt umsetzen.

Eine spannende Herausforderung wird es sein, die naturwissenschaftliche Perspektive, also die Messung, Quantifizierung und Bewertung der Resilienz mit den Ansprüchen und Präferenzen der Gesellschaft an die Wälder zu verknüpfen. Beides zusammenzutragen ist ein spannendes Ziel. Wir freuen uns alle im Klima.Zukunftslabor, diese Aspekte gemeinsam erforschen zu können.

Vielen Dank für das Interview.

Kontakt

Prof. Dr. Alexander KnohlProf. Dr. Alexander Knohl
Prof. Dr. Alexander Knohl
Abteilung Bioklimatologie, Georg-August-Universität Göttingen

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